Im Pfaffenhofener Krankenhaus wurde über Jahre der Brandschutz vernachlässigt und immer wieder ohne Genehmigung gebaut
Von Tobias Zell
Am Anfang stand eine ganz einfache Frage: Warum werden eigentlich derzeit Millionen in Brandschutz-Maßnahmen an der Pfaffenhofener Ilmtalklinik gesteckt, wenn doch ohnehin eine zirka 70 Millionen Euro teure Generalsanierung des gesamten Komplexes ansteht? Die Suche nach Antworten entpuppte sich als Stich ins Wespennest. Zudem galt es ein Dickicht aus Ungereimtheiten zu durchdringen und einen Dschungel von geschminkten Auskünften zu lichten.
Nach monatelangen Recherchen von pfaffenhofen-today lassen sich die Ergebnisse auf drei Kern-Aussagen verdichten. Erstens: Am Krankenhaus in der Kreisstadt ist mutmaßlich immer wieder schwarz gebaut worden. Zweitens: An der Klinik ist offenbar über Jahre der Brandschutz vernachlässigt worden – deshalb muss jetzt so dringend, noch vor der Generalsanierung, massiv nachgebessert werden. Und drittens: Es gibt einen Zusammenhang zwischen diesen beiden Punkten.
Alles begann mit der GmbH
Ungeachtet der bemerkenswerten Tatsache, dass nach Informationen unserer Zeitung an der Klinik Mängel festgestellt wurden, die bereits aus der Zeit der Errichtung stammen und angeblich schon die damaligen Vorschriften nicht erfüllten, begannen die ganzen Wirrungen offenbar nach der Gründung der Ilmtalklinik-GmbH, die mit Jahresbeginn 1998 unter Geschäftsführer Hans Huber ihren Betrieb aufnahm. Bis dahin war die 1984 eröffnete Pfaffenhofener Klinik ein klassisches Kreiskrankenhaus. Später, im Sommer 2007, stieg dann noch der Landkreis Kelheim mit ein. Seitdem sind die Kreise Pfaffenhofen (85 Prozent) und Kelheim (15 Prozent) Gesellschafter der GmbH mit ihren beiden Kliniken in Pfaffenhofen und Mainburg, sie tragen entsprechend ihrer Anteile auch das jährliche Millionen-Defizit.
Seit 1998 jedenfalls wird das Pfaffenhofener Krankenhaus als GmbH geführt. Landrat war damals der von 1996 bis 2008 regierende Rudi Engelhard (CSU), der auch den Posten des Aufsichtsrats-Vorsitzenden bekleidete. In dieser Zeit, zwischen 1998 und 2010, wurden an der Klinik mehrere Umbauten vorgenommen, „bei denen die Ilmtalklinik davon ausging, dass eine Genehmigung hierfür nicht erforderlich war“. Das teilten Landratsamt und Klinik auf Anfrage unserer Zeitung mit. „In der Vergangenheit gab es Umbauten und Nutzungsänderungen aufgrund von Umstrukturierungen und zur Optimierung der Betriebsabläufe“, heißt es dazu (Brandheiße Entscheidungen an der Ilmtalklinik).
„Um die Ilmtalklinik zu einem Gesundheitszentrum auszubauen, wurden Krankenhaus-Flächen an diverse Arztpraxen und medizinische Dienstleister vermietet.“ Diverse Nutzungsänderungen, so räumt man ein, seien „zum Teil nachträglich genehmigt“ worden. Wobei nachträglich ein großes Wort ist: Denn erst im Jahr 2011, unter Landrat Martin Wolf (CSU), wurden sämtliche über die Jahre erfolgten baulichen Änderungen im Nachhinein beantragt sowie später abgesegnet. In den Jahren zuvor hatte man somit offenbar ohne baurechtliche Legitimation agiert.
"Lässt sich heute nicht mehr nachvollziehen"
Anders gesagt: Man hatte mutmaßlich ohne vorliegende Genehmigungen gehandelt. Landläufig nennt man das Schwarzbau. Aber wer hat das veranlasst beziehungsweise angeordnet? Die Antwort fällt erschreckend aus. Umbauten und Änderungen hätten in der Zuständigkeit von Geschäftsführung und Aufsichtsrat gelegen, wird uns dazu erklärt. Zugleich räumt man allerdings ein: „Von wem welche Maßnahmen veranlasst wurden und wie die Entscheidungsläufe waren, lässt sich heute nicht mehr nachvollziehen.“
Das eröffnet viel Raum für Spekulationen. Man weiß also heute schlicht und ergreifend nicht mehr (oder will es nicht mehr wissen), wer damals die Maßnahmen ohne zuvor eingeholte Genehmigungen in dem Krankenhaus in Auftrag gegeben hat beziehungsweise wer für diese Vorgehensweise verantwortlich zeichnete. Gibt es da keine Unterlagen mehr? „Die notwendigen Beschlüsse wurden eingeholt“, sagte man uns. Hätte einem Landrat – der als Aufsichtsrats-Vorsitzender somit von den Umbauten gewusst haben dürfte – nicht auffallen können, ja müssen, dass in der Genehmigungsbehörde – seinem Landratsamt – eben anscheinend nichts genehmigt worden war?
Es zog sich über Jahre
Aber es geht noch weiter. Denn offenbar hat man vor lauter Umbauen und Umwidmen über die Jahre nicht nur die entsprechenden Genehmigungen nicht eingeholt, sondern obendrein den Brandschutz massiv vernachlässigt. Durch die baulichen Veränderungen, so räumte man auf Anfrage unserer Zeitung ein, „wurden Anpassungen im Brandschutz ausgelöst und das Brandschutz-Konzept wurde diesbezüglich fortgeschrieben und die Maßnahmen befinden sich in Umsetzung“. Das klingt so, als wäre alles in bester Ordnung und alles wäre stringent sowie rasch nacheinander abgearbeitet worden. Betrachtet man aber die zeitliche Einordnung, so ergibt sich ein ganz anderes Bild. Denn wir reden hier von Jahren, die zwischen den – mutmaßlich ohne Genehmigung erfolgten – baulichen Veränderungen, den nötigen Anpassungen beim Brandschutz-Konzept und der nun laufenden Ertüchtigung des Brandschutzes liegen.
2007 aufgedeckte Mängel 2011 noch nicht behoben
Unserer Redaktion liegen Informationen vor, wonach ein Großteil der bereits im Jahr 2007 aufgedeckten Brandschutz-Mängel auch im Jahr 2011 noch immer nicht behoben war. Letztlich war man 2011 sogar zu dem Ergebnis gelangt, dass wegen der zahlreichen Mängel eine erhebliche Gefahr für Leib und Leben nicht ausgeschlossen werde könne. Angesichts der Summe von baulichen Mängeln wurden wirksame Lösch- und Rettungsarbeiten in Frage gestellt beziehungsweise die Möglichkeit dazu stark angezweifelt.
Das mag erklärten, warum diverse Brandschutz-Maßnahmen nun eben nicht mehr bis zu der anvisierten Generalsanierung warten können – angeblich geht es dabei um eilige Brandschutz-Investitionen in einer Größenordnung von etwa fünf Millionen Euro. Das erklärt allerdings nicht, warum man zwischen 2007 und 2011 kaum etwas unternommen hat.
Es war nämlich eine durchaus umfangreiche und handfeste Mängel-Liste, die nach unseren Recherchen im Jahr 2007 ans Licht gekommen war. Die Bandbreite der kritischen Punkte war dabei ebenso groß wie die Probleme selbst: Es geht um defekte Fluchtweg-Kennzeichnungen und eine nicht ausreichende Zahl an Feuerlöschern. Es geht unter anderem um Brandschutztüren und um eine Rauchschutztür zum Zugang der Neugeborenen-Station, die nicht schlossen. Die Zahl der Brandmelder wurde als vermutlich nicht ausreichend gewertet und der Feuerwehr-Einsatzplan war nicht auf dem neuesten Stand. Nachgerüstete Rauchschutztüren entsprachen augenscheinlich nicht der Zulassung. Eine flächendeckende Brandmelde-Anlage war offenbar nicht vorhanden.
Fehlende Genehmigungen
Vor allem aber traten – und hier kommt nun beides zusammen – in diesem Zusammenhang bereits im Jahr 2007 die ohne Genehmigung erfolgten baulichen Veränderungen zu Tage. Unserer Zeitung liegen auch hierzu Informationen vor. Demnach gab es für die Umwandlung eines Versorgungsraums in einen Klinik-Stationsbereich keine Nutzungsänderung. Im Keller war die ehemalige Wäscherei zum Labor gemacht worden – ohne genehmigte Nutzungsänderung. Im Erdgeschoss waren die besagten Praxen eingerichtet worden – ohne genehmigte Nutzungsänderungen. Der umgebaute Ambulanz-Bereich stimmte nicht mit den im Jahr 1996 genehmigten Unterlagen überein. Die so genannte Brandabschnitts-Bildung in dem Klinik-Komplex konnte anhand der vorliegenden Bauunterlagen nicht nachvollzogen werden – Feuerwehrleute dürften hier aufschreien. Und nicht zuletzt stimmte im Personalwohnheim die tatsächliche Situation nicht mit der Baugenehmigung überein.
Nach Recherchen unserer Zeitung war das Landratsamt im Jahr 2007 auch schriftlich von all den damals festgestellten Mängeln in Kenntnis gesetzt worden. Doch offenbar ist bis ins Jahr 2011 so gut wie nichts passiert. Weder unter Landrat Rudi Engelhard (CSU, 1996 bis 2008) und unter dessen Nachfolger Josef Schäch (damals Freie Wähler, 2008 bis 2009), noch unter dem nach Schächs Suspendierung amtierenden Anton Westner (CSU, 2009 bis 2011). Erst später im Jahr 2011, inzwischen unter Landrat Martin Wolf (CSU), ist etwas Bewegung in die Sache gekommen.
Notstrom-Versorgung war "grenzwertig"
2011 wurden die nachträglichen Genehmigungen für die über all die Jahre vorgenommenen baulichen Veränderungen beantragt und ein komplett neues Brandschutz-Konzept war zumindest in Arbeit. Unter Berufung auf ein in diesem Zusammenhang erstellten TÜV-Gutachten aus dem Jahr 2011 teilten Klinik und Landratsamt unserer Zeitung mit, dass das Krankenhaus „bauzeitbedingte Schwachstellen“ aufwies, die „mittelfristig behoben werden sollten“. Aber: Würde mittelfristig tatsächlich reichen, hätte man die Generalsanierung wohl abwarten können. Dieses Gutachten habe außerdem ergeben, dass die Notstrom-Versorgung „grenzwertig“ war.
Dennoch dauerte es noch bis ins Jahr 2013, ehe „im Rahmen der elektronischen Sanierung das Notstrom-Aggregat durch ein leistungsfähigeres ersetzt“ wurde. 2012 und 2013 sei ein neues Brandschutz-Konzept erstellt worden; 2013 wurde auch ein „Runder Tisch“ gegründet. Seit dem Jahr 2015 wird nun an der Beseitigung der Brandschutz-Mängel gearbeitet – das erfolgt, wegen der Vielzahl der Mängel, „schrittweise im Rahmen einer Prioritäten-Liste“. Will sagen: Es gibt so viel zu tun, dass man das auf einmal gar nicht machen kann oder möchte. Die Zeit drängt. Dem Vernehmen nach drohte sogar die Schließung von Klinik-Bereichen.
2015, acht Jahre nach dem Bekanntwerden der zum Teil massiven Mängel, ging man es also an. „Generell ist festzuhalten“, heißt es von Landratsamt und Klinik, „dass in der Vergangenheit regelmäßige Begehungen in Sachen Brandschutz stattfanden – und zwar durch den Sicherheitsbeauftragten der Klinik, die Feuerbeschau der Stadt Pfaffenhofen und die Begehungen der Genehmigungsbehörde.“ Das beruhigt nicht wirklich. Vielmehr unterstreicht es die Frage, wieso nach dem Bekanntwerden der zahlreichen Mängel im Jahr 2007 kaum etwas geschehen war. Es geht hier schließlich nicht nur um ein öffentliches Gebäude unter der Regie des Landkreises, sondern um ein Krankenhaus. Die Frage drängt sich deshalb auf: Hätte man einer x-beliebigen Firma, die über Jahre so agiert hätte, nicht längst den Laden zugesperrt?
Erhebliche Gefahr für Leib und Leben nicht ausgeschlossen
Zudem stellt sich die Frage, warum über die Jahre so gehandelt worden war? Wieso baute man mutmaßlich schwarz? Weshalb wurden bekannte Brandschutz-Mängel über Jahre nicht behoben? Vielleicht ging es dabei schlicht ums Geld. Denn hätte man sich die Umbau- und Umnutzungs-Maßnahmen seinerzeit genehmigen lassen, hätte das wohl zur Folge gehabt, dass man den gesamten Klinik-Brandschutz auf den zum jeweiligen Zeitpunkt geforderten Stand hätte bringen müssen. Dieses Fass wollte man möglicherweise nicht aufmachen. Hat das Landratsamt da wirklich all die Jahre mitgespielt?
Und war der Krankenhaus-Betrieb in Pfaffenhofen angesichts der massiven Brandschutz-Mängel überhaupt zu jeder Zeit sicher? Diese Frage haben wir dem Landratsamt und auch der Klinik gestellt. „Davon gehen wir aus“, lautete die gemeinsame Antwort: „Es gab und gibt Mängel in Art und Umfang, wie sie in allen vergleichbaren Gebäuden üblich sind.“ Das wirkt beklemmend. Zumal die Feuerbeschau im Jahr 2011, von deren Ergebnissen das Landratsamt nach eigenen Angaben als Genehmigungsbehörde auch informiert wurde, zu dem Fazit gelangt war, dass nicht nur die bereits 2007 festgestellten baulichen Mängel nach wie vor vorhanden sind – sondern dass angesichts dieser zahlreichen Mängel eine erhebliche Gefahr für Leib und Leben nicht ausgeschlossen werden könne.
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